Wipproller

Vor mehr als zehn Jahren kamen kleine Tretroller groß in Mode, auf denen Kinder und auch Erwachsene durch die Straßen rollten. Technisch hatten diese Gefährte mit ihren winzigen Rädern wenig zu bieten und der Fahrkomfort ließ ebenfalls zu wünschen übrig. Da war man in den 1930er Jahren schon weiter. Damals brachte die Firma Wittkop ihren „Wipproller“ auf den Markt. Das Emblem am Lenker, ein geflügelter Genius, der auf dem Roller einem aufgescheuchten Huhn nachjagt, war damals sicher ganz nach dem Geschmack der stolzen Besitzer.

Die 1898 von Franz Wittkop und Fritz Luce gegründete Firma setzte auf eine zukunftsträchtige Branche: Sie stellte für die expandierende Fahrradindustrie Sättel und Werkzeugtaschen her. Schon 1902 konnte an der Herforder Straße ein Fabrikgebäude errichtet werden, das mehrfach erweitert wurde. Weitere Lederartikel wie Schulranzen, Rücksäcke und Gamaschen verbreiterten die Produktpalette und machten das Firmenzeichen, eine Spinne im Netz, weithin bekannt. Wahrscheinlich im Gefolge der Weltwirtschaftskrise der späten 1920er Jahre begann Wittkop als neue Artikel Heimtrainer und den berühmten Wipproller herzustellen, für den 1934 ein Patent erteilt wurde. Seine Besonderheit lag in einer Wippe, auf welcher der Fahrer mit beiden Füßen stand. Seine Bewegung übertrug eine Zahnstange auf die Hinterradnabe und trieb so das Fahrzeug an.

Vor dem Zweiten Weltkrieg stellte die Firma keine großen Stückzahlen her, da sie bald in die Rüstungswirtschaft des NS-Regimes eingebunden war. Nach Kriegsende machte der Wipproller jedoch Furore. Anstelle von Holzrahmen und Vollgummireifen wie beim Vorkriegsmodell war er nun auch mit Stahlrahmen und Ballonreifen in Luxusausführung erhältlich. Diese Variante kostete 1950 immerhin DM 64,50. Damit war der Wipproller aber trotzdem billiger als ein Kinderfahrrad, für das er häufig als Ersatz diente. Als Vorstufe für das eigentliche Fahrrad pries ihn auch die Firmenwerbung an. In den 1950er Jahren setzte man schätzungsweise 500.000 Wipproller ab und das typische ratschende Fahrgeräusch gehörte wohl nicht nur in Bielefeld zum Alltag. Als aber später Kinderfahrräder im allgemeinen Wirtschaftsaufschwung erschwinglicher wurden, erlahmte das Interesse für den pfiffigen Roller schnell. Auch die Firma Wittkop kam allmählich durch die Fahrradkrise in Bedrängnis und konnte ihre Lederprodukte nicht mehr ausreichend absetzen. 1986 musste Konkurs angemeldet werden; von einst mehr als 400 Beschäftigten waren nur noch 27 übrig geblieben.