Kinokarten Kino Gloria 1936

In die Zeit, als Kinos noch „Filmpaläste“ oder „Lichtspieltheater“ hießen, entführt diese unscheinbare Papierrolle. Die Abreißkarten des „Gloria-Palastes“ in Bielefeld erinnern daran, dass die Stadt am Teuto einst ein Mekka der Kinoliebhaber war. Bereits 1896 hatte ein wandernder Kinematograph für die erste Filmvorführung in Bielefeld gesorgt. Elf Jahre später eröffneten in der Niedernstraße gleich drei stationäre Kinos. Allerdings handelte es sich dabei nicht um eigenständige Bauten, vielmehr entstanden die Vorführsäle durch an- oder Umbauten in Hinterhäusern.

Mitte der 1920er Jahre waren aus den bescheidenen Hinterhofetablissements bereits großräumige Vergnügungsstätten geworden. Als die „Vereinigten Lichtspiele“ als größter Kinobetreiber Bielefelds das älteste Kino in der Niedernstraße erweitern wollten, stießen sie auf baupolizeiliche Widerstände. Schließlich wurde das Haus abgebrochen und an seiner Stelle das erste eigenständige Kinogebäude der Stadt errichtet. Als Architekten holten sich die Unternehmer den in ganz Deutschland renommierten Wilhelm Kreis. Dieser war von 1920 bis 1926 Professor an der Architekturabteilung der Kunstakademie Düsseldorf gewesen und hatte seither die gleiche Stellung an der Staatlichen Kunsthochschule in Dresden inne. In etwa neun Monaten Bauzeit entstand der „Gloria-Palast“, der am Ostersonntag 1928 seiner Bestimmung übergeben wurde. Der Bau war ein Beispiel für die von Kreis vertretene Moderne monumentaler Prägung. Die schnörkellose Fassade wurde von horizontalen Simsen und einem riesigen Milchglasfenster im Zentrum bestimmt, während die Innenausstattung elegante Sachlichkeit und eine durchdachte Farbgestaltung erkennen ließ.

Der Eröffnungsfilm war dieses neuen Kinos würdig: Friedrich Wilhelm Murnaus erste Hollywood-Produktion „Sunrise“. Etwa ein Jahr später lief im „Gloria“ auch der erste in Bielefeld gezeigte Tonfilm. Nachdem das Kino in Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt worden war, kam es 1948 zur Wiedereröffnung mit 732 Sitzplätzen, wobei die Fassade nicht originalgetreu wiederhergestellt wurde. In den 1950er Jahren hatte das „Gloria“ Anteil am Kinoboom in Bielefeld, wo 1955 mit 16 Kinos und etwa 10.000 Plätzen der Höhepunkt erreicht war. Der Niedergang des Kinos in den 1960/70er Jahren machte auch vor dem „Gloria“ nicht Halt: Es wurde verkleinert und unterteilt, ein Ladengeschäft belegte das Erdgeschoss. Das Ende kam im Jahr 2000. Danach sanierte man das Gebäude, baute die Fassade zurück und der Einzelhandel hielt Einzug am ältesten Kinostandort Bielefelds.