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Viewmaster, 1953

„Virtual reality“ ist nicht erst heutzutage mit Datenbrillen ein Thema, sondern hat schon die Generation unserer Urgroßeltern fasziniert. Das Stichwort lautet Stereoskopie, also die Wiedergabe von Bildern mit einer räumlichen Illusion. Die Entdeckung fällt in die Frühzeit der Fotografie, während unser View Master  aus schwarzem Bakelit bereits an der Schwelle des Fernsehzeitalters steht.

Das Prinzip der Stereoskopie beruht darauf, dass Menschen wie alle Primaten durch ihre zwei Augen die Umgebung gleichzeitig aus zwei Blickwinkeln betrachten. Das Gehirn kann dadurch allen betrachteten Objekten eine Entfernung zuordnen und ein räumliches Bild der Umgebung gewinnen, ohne dass der Kopf bewegt werden muss. Führt man dem linken und rechten Auge jeweils unterschiedliche zweidimensionale Bilder aus zwei leicht abweichenden Betrachtungswinkeln zu, übersetzt sie das Gehirn quasi ins Dreidimensionale.

Bereits 1849 konstruierte der schottische Physiker David Brewster eine Zweiobjektivkamera, mit der Stereofotografien möglich wurden. Dazu gesellte sich das Stereoskop als einfaches Betrachtungsgerät. Brewster schnitt eine Sammellinse in zwei halbkreisförmige Stücke und montierte die beiden Hälften, mit ihren kreisförmigen Kanten gegeneinander gerichtet, an der Vorderseite eines Kästchens. Hinter den Linsen an der Rückseite wurden die beiden fotografischen Bilder eingeschoben. Die Stereofotografie nahm einen gewaltigen Aufschwung und entwickelte sich zu einem populären Massenmedium. Der Unternehmer August Fuhrmann brachte um 1880 einen großen Rundlauf-Stereobetrachter, das sogenannte „Kaiserpanorama“, auf den Markt. In vielen deutschen Städten konnte das Publikum hier Tausende von Fotos, zu Serien geordnet, betrachten und das Gefühl genießen, fremde Landschaften und Kulturen bereist zu haben.

Der aus Bayern in die USA ausgewanderte Wilhelm Gruber, selbst ein versierter Stereofotograf, entwickelte das View Master-System. Er benutzte den damals neuen Farbdiafilm und bestückte runde Scheiben mit je sieben Bildpaaren. Dazu gehörte ein Diabetrachter, der mit einem kleinen Hebel die Scheibe weiterbewegt. Als eine Art erweiterte Ansichtskarte wurde der View Master 1939 auf der Weltausstellung in New York einem breiten Publikum vorgestellt und sofort zu einem Verkaufsschlager. Durch den Erwerb von Walt Disney-Lizenzen konnte das Unternehmen später Scheiben mit den berühmten Trickfilmfiguren anbieten und den Absatz gewaltig steigern. Unser Modell C stammt aus der Produktion in Portland (Oregon) und wurde von 1946 bis 1955 hergestellt. Dazu gehören zwei Scheiben mit Nähmaschinen und Fahrrädern der Bielefelder Firma Dürkopp. Sie hatte schon frühzeitig die Werbewirksamkeit der Stereobilder erkannt und bereits vor dem Ersten Weltkrieg Stereobildserien und einfache Betrachter zu Reklamezwecken eingesetzt.