Leineweber-Relief •

Im Oktober 1959 erhielt der Bielefelder Oberbürgermeister Ladebeck ein Päckchen. Darin befand sich dieses in einem dekorativen Aufstellrahmen platzierte Relief, das den bekannten Bielefelder Leineweber darstellt. Sein Urheber war der Graveurmeister Wilhelm Brünger gemeinsam mit seinen Angestellten. Er schenkte es dem Oberbürgermeister mit dem ausdrücklichen Wunsch, dieser möge es in seinem Büro aufstellen und als Mahnung immer vor Augen haben.

Als Ladebeck das Relief erhielt, war die Bronzestatue des Leinewebers, die Hans Perathoner 1909 geschaffen hatte, seit fünf Jahren aus dem Stadtbild verschwunden. Den Zweiten Weltkrieg hatte der Leineweberbrunnen weitgehend unbeschadet überstanden. Zehn Jahre nach Kriegsende sollte der Altstädter Kirchplatz, der schwer getroffen worden war, neu gestaltet werden. Da der Platz durch die Neubebauung kleiner wurde, dachte das Bauamt an eine Versetzung des Leinewebers. Der steinerne Jugendstilsockel wurde wegen einiger Bombenschäden zu „Packlage“, also Straßenschotter, verarbeitet, eine damals beliebte Maßnahme, der auch der Sockel des Kriegerdenkmals zum Opfer fallen sollte. Die Statue selbst wanderte zunächst auf den Bauhof.

Im Folgenden geriet die Wiederaufstellung des Leinewebers zur Hängepartie. Als neuen Standort favorisierte man den Alten Markt, aber auch eine Position bei der Altstädter Kirche hatte Befürworter. Im November 1955 wurde ein Denkmalausschuss einberufen, während die Tageszeitungen mit einer Leserumfrage die Meinung der Bürger einholen wollten. Diese entschieden sich mit 92,5 % für einen Platz bei der Kirche. Danach geschah nichts mehr, sehr zum Verdruss der Bielefelderinnen und Bielefelder, die ihr Wahrzeichen vermissten und in Leserbriefen immer wieder seine Rückkehr anmahnten. Herr Brünger gab mit seinem Geschenk an den OB also der Stimmung in der Bevölkerung Ausdruck.

1959 fällte der Rat die einstimmige Entscheidung, den Leineweber auf dem Alten Markt aufzustellen. Der Künstler Wilhelm Heiner erhielt den Auftrag für ein neues Brunnenbecken, nachdem er sich bei einem Wettbewerb mit seinem Entwurf durchgesetzt hatte. Ganz traute man dem eigenen Entschluss jedoch nicht. Im Juni 1960 ließ der Denkmalausschuss den Leineweberbrunnen in Originalgröße aus Pappe an dem vorgesehenen Standort aufbauen, genau dort, wo heute das runde Brunnenbecken steht. Plötzlich erschien der Marktplatz zu beengt, so dass zwei Wochen später das Modell probeweise neben der Altstädter Kirche aufgerichtet wurde. Im September fiel die Entscheidung für diesen Standort. Kurz darauf begannen die Arbeiten am Altstädter Kirchplatz und am 20. Dezember 1960 wurde der Leineweber mit dem neuen Becken eingeweiht.

Ob Ladebeck das Geschenk Wilhelm Brüngers tatsächlich aufgestellt hat, wissen wir nicht.  Zusammen mit anderen Gaben, die die Oberbürgermeister im Lauf der Jahre erhalten hatten, wurde das Relief später an das Museum abgegeben.