Kabinettscheibe, um 1700 ·

Andreas Breuer, Bürger in Versmold. Weder zur Person noch gar zum Aussehen Breuers gibt uns die bemalte Glasscheibe Hinweise, möglicherweise eher dazu, wie er sich gern gesehen hätte: als Kavalier hoch zu Ross, dem eine junge Frau den Willkommenstrunk bietet. Aber selbst bei dieser Darstellung handelt es sich um ein verbreitetes Muster der Glasmaler, das in vielen Beispielen bekannt ist. Der Trank, der dem heransprengenden Reiter gereicht wird, führt indes zur Sitte des Fensterbiers, mit der solche bemalten Scheiben eng verbunden sind.

Fensterverglasungen in privaten Wohnhäusern haben sich erst im Laufe des 16. Jahrhunderts in Deutschland allgemein durchgesetzt. Die handwerkliche Herstellung von Glas war aufwändig und das Produkt teuer, so dass man sich vorher mit geöltem Papier, Pergament oder Rindsblasen als transparentem Fensterverschluss behelfen musste. Aber auch in nachmittelalterlicher Zeit bedeutete das Fensterglas einen wesentlichen Kostenfaktor beim Hausbau. Aus technischen Gründen waren die erzeugten Glastafeln recht klein und mussten durch ein Netz aus Bleistegen zu einer größeren Fensterfläche zusammengefügt werden.

Nach dem Ende des 30-jährigen Kriegs mehren sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Nachrichten über Fensterstiftungen sowohl für kirchliche und öffentliche Gebäude als auch für Wohnhäuser. Dabei handelt es sich um rechteckige, rautenförmige oder auch runde Scheiben, die entweder nebeneinander oder im Zentrum einer Blankverglasung zum Einsatz kamen. Häufig zeigen sie das Wappen bzw. die Hausmarke des Schenkers mit seinem Namen und dokumentieren so seinen Beitrag. Daneben tauchen biblische Szenen auf, volkstümliche Motive und dekorative bunte Vögel und Blumen. Die Malereien besorgten in der Regel die Glaser selbst, die mehr oder weniger gekonnt nach grafischen Vorlagen arbeiteten.

„Wenn der Bauer im Ravensbergischen Gebrechen an seinen Fenstern oder an seinem Haus überhaupt hat…, pflegt er seine Nachbarn, Freunde und Bekannte zu einem Schmause einzuladen, bey welchem dem Gastgeber von jedem Gaste eine milde Beysteuer gegeben wird…“ Peter Florens Weddigen beschreibt 1790 diesen Brauch, das „Fensterbierfest“, schon im Ausgang.  Ursprünglich waren die bemalten Scheiben eine Unterstützung zum Hausbau, der mit dem Einsetzen der Fenster den Abschluss fand. Dieser Anlass wurde mit einem Fest begangen, dem heutigen Richtfest vergleichbar. Später ersetzte oft ein Geldbetrag die Fensterschenkung, der genau vermerkt wurde, damit man sich bei späteren Gelegenheiten in gleicher Höhe revanchieren konnte. Ende des 18. Jahrhunderts ließen verbesserte Fertigungstechniken beim Glas und neue Fensterkonstruktionen größere Verglasungen zu. Im Zeitalter der Aufklärung war das Bedürfnis nach Licht gewachsen. Die Blankverglasung ersetzte jetzt die kleinen bunten Scheiben, deren Reiz und volkskundliches Interesse erst seit der Romantik wieder gewürdigt wurden.