Bethel Spendenbüchse klein

Sammelbüchse der Bethel-Mission

Bewaffnet mit der Schiefertafel, an der ein Schwamm hängt, ziehen kleine Kinder fröhlich auf ihre Schule zu. Ähnliche Bilder aus den 1920er Jahren gibt es zuhauf, aber hier sind die Kinder schwarz und die strohgedeckte Schule steht unter Palmen. Schwarz-weiß gedruckt, zieht sich das Bild um die gesamte rechteckige Büchse aus dickem Karton, die oben einen Einwurfschlitz hat und auch den Adressaten der Gabe nennt: „Der Inhalt dieser Büchse ist zu senden an: Die Bethelmission in Bethel b. Bielefeld“.

Deutschland hatte sich bei der Aufteilung der Welt unter den Kolonialmächten erst spät und zögerlich beteiligt, dann aber energischer zugegriffen. 1885 gewährte das Kaiserreich den von der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ in Ostafrika beanspruchten Gebieten seinen Schutz. Die Anwesenheit von deutschen Missionaren als Wegbereiter der Kolonisation war politisch erwünscht. In Berlin gründete sich die Deutsch-Ostafrikanische  Missionsgesellschaft, die sich 1887 in „Evangelische Missionsgesellschaft für Deutsch-Ostafrika“ (EMDOA) umbenannte. Da es an geeigneten Missionaren mangelte, wandte sich die Gesellschaft an Friedrich v. Bodelschwingh, der als junger Mann ursprünglich selbst Missionar werden wollte. Er engagierte sich in den nächsten Jahren stark für die neue Aufgabe. 1906 übersiedelte die EMDOA nach Bethel und wurde bald so sehr mit dem neuen Standort identifiziert, dass sie seit 1920 offiziell Bethel-Mission hieß.

Im heutigen Tansania und Ruanda entstanden eine Reihe von Stützpunkten der Mission, von denen jener in der Hafenstadt Tanga der wichtigste war. Die Kolonialverwaltung errichtete dort zahlreiche öffentliche Gebäude und begann mit dem Bau einer Eisenbahn, die von Tanga in das Hochland von Usambara führte. Der  Missionar Ostwald schrieb 1900, „daß Tanga noch vor anderthalb Jahrzehnten, vor der deutschen Besitzergreifung, ein… elender, schmutziger Hafenort war… Ohne Zweifel ist für die Küstengebiete die deutsche Kolonisation ein großer Segen gewesen. Unsere Hoffnung ist, daß von der evangelischen Missionsstation auch ein helles Licht ausstrahle in die umliegenden heidnischen und mohammedanischen Landschaften.“

Die Bethel-Mission beschränkte sich jedoch nicht auf Bekehrungsversuche. Sie bekämpfte die Sklaverei und bot mit Krankenhäusern, Schulen und Werkstätten tätige Hilfe. Bodelschwingh wollte durchaus die Sprachen, Sitten, Stammestraditionen und Sozialstrukturen der Afrikaner respektieren, jedoch führten die christliche Lehre und das von den Missionaren vermittelte protestantische Arbeitsethos zusammen mit hoch gehaltenen deutschen Sekundärtugenden unweigerlich zu einem Bruch mit der traditionellen Lebensweise der Missionierten. So bemerkte etwa der Breslauer Oberlehrer Richter 1926 bei einem Besuch der Schule in Tanga: „In der Gesangsstunde berühren die Melodien unserer Volkslieder mit Suahelitexten zunächst recht eigenartig… Immerhin ist es erstaunlich, den Neger, dessen monotone Lieder doch typisch sind, melodiös singen zu hören.“

Inzwischen war aus der deutschen Kolonie ein britisches Mandatsgebiet geworden, in das die Bethel-Mission zurückgekehrt war. Noch bis in die 1950er Jahre warb der ebenso beliebte wie heute politisch unkorrekte „Nick-Neger“ um Spenden für die Afrikamission, bevor er einem unverfänglicheren Nilpferd Platz machen musste. Die Bethel-Mission ging in der Vereinten Evangelischen Mission auf, die heute eng mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Tansania zusammenarbeitet.