Bronzeplastik Elch

Wölfe sind in den letzten Jahren wieder vereinzelt in Ostwestfalen aufgetaucht, aber Elche? Dennoch schreitet seit 1961 ein kapitales Exemplar dieser Gattung durch den Bürgerpark in Bielefeld, kommt allerdings nicht vom Fleck, denn der Elch besteht aus Bronze.  Mit einem Gewicht von 600 Kilogramm und einer Schulterhöhe von weit über zwei Metern entspricht er in den Ausmaßen durchaus lebenden Exemplaren dieser größten Hirschart der Erde. Der Bronzeelch im Museum ist eine Nummer kleiner, gleicht aber dem großen Vorbild im Bürgerpark. Doch was hat es mit dem Elch auf sich?

Die Spur führt in die ostpreußische Stadt Gumbinnen, heute Gussew. Dort waren Elche vor allem in dem riesigen Gebiet der Rominter Heide, vor dem Ersten Weltkrieg ein beliebtes Jagdrevier Kaiser Wilhelm II., verbreitet. Im Winter 1909/10 saß ein kapitaler Elch bei Gumbinnen fest, weil Tauwetter das Eis weich und unsicher gemacht hatte. Der Bildhauer Ludwig Vordermayer (1868-1933), der gerade durch Ostpreußen reiste, studierte das Tier und fertigte ein Tonmodell an. Daraus entstand im Atelier ein lebensgroßes Gipsmodell für einen Bronzeguss. Die Landeskunstkommission kaufte den würdig und ruhig dastehenden Bronzeelch an, der 1912 auf einem zentralen Platz in Gumbinnen aufgestellt wurde und rasch als Wahrzeichen der Stadt galt.

Szenenwechsel: Nach dem Zweiten Weltkrieg suchten Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Gebieten im Osten eine neue Heimat. Allein in Bielefeld lebten 1952 über 34.000 Flüchtlinge, die mehr als 20% der Gesamtbevölkerung ausmachten. Städte und Kreise in Westdeutschland waren aufgerufen, Patenschaften für entsprechende Gebietskörperschaften im ehemaligen deutschen Osten zu übernehmen. 1954 beschloss der Bielefelder Stadtrat, eine Patenschaft für Gumbinnen einzugehen. Neben praktischen Hilfen für die Eingliederung sollte vor allem die Erinnerung an die alte Heimat aufrechterhalten werden. Das fassbare Symbol war das Elchdenkmal, und so begann die Kreisgemeinschaft Gumbinnen 1958 einen „Elchgroschen“ zu sammeln als Grundstock für einen Bronzeelch. Letztlich gab die Patenstadt Bielefeld den Löwenanteil zu den Kosten von 52.000 DM hinzu.

Der Hamburger Bildhauer Hans Martin Ruwoldt (1891-1969) war der Schöpfer des neuen Elchs. Wie Vordermayer war er ein ausgewiesener Tierplastiker, der durch genaue Beobachtung ein lebensnahes Abbild erreichte. Im Gegensatz zu seinem älteren Kollegen legte Ruwoldt das Hauptaugenmerk auf die artgemäße Gesamtform und Bewegung der Tiere, in die er Details einschmolz. Auch die schrundigen, den Modellierprozess  wiedergebenden Oberflächen zeigen die Modernität seiner Figuren. Ruwoldt schlug zunächst einen liegenden Elch vor, der aber keinen Anklang fand. Als Standort für das dann gebilligte schreitende Exemplar war der Tierpark Olderdissen im Gespräch. Der Rat der Stadt lehnte diesen Ort jedoch ab: Der Elch habe schließlich eine politische Funktion und solle an die Vertreibung erinnern. So fand er seine Weidegründe im Bürgerpark, wo er am 24. September 1961 eingeweiht wurde. Wie üblich fertigte der Bildhauer von dem ersten kleinen Tonmodell mehrere Bronzeabgüsse an. Ein Exemplar erhielt der Oberbürgermeister als Geschenk, das später dem Historischen Museum zur Verwahrung übergeben wurde.