Höhensonne ·

Zeitgenossen, deren Kindheit in die Nachkriegszeit fällt, erinnern sich vielleicht noch daran, wie sie in den Wintermonaten mit einer Schutzbrille bewehrt vor der strahlenden Höhensonne saßen. In diesem Gerät kamen medizinische und  kosmetische Anwendungen zusammen und trafen nach dem Zweiten Weltkrieg auf einen neuen Lifestyle. Die Sonnenbank als Ganzkörperbräuner wurde später die logische Verlängerung.

Am Beginn stand eine Entwicklung des Chemikers und Physikers Dr. Richard Küch (1860-1915), der bei der Firma Heraeus angestellt war.  Ihm gelang es durch Schmelzen von Bergkristall bei extrem hohen Temperaturen  reines Quarzglas herzustellen. Quecksilberlampen aus Quarzglas erzeugten ein neuartiges Licht, weil das Quarzglas für ultraviolette und infrarote Strahlen durchlässig war. Zunächst sollte die Erfindung zur Straßenbeleuchtung herangezogen werden, konnte sich aber gegen die Glühfadenlampen nicht durchsetzen.  Bald zeigte sich aber ein anderes Einsatzgebiet: die Medizin. Künstliches UV-Licht erzielte bei der Behandlung von Hauttuberkulose gute Erfolge. Da es dem Körper hilft, das lebenswichtige Vitamin D zu bilden, wurde es zur vorbeugenden Behandlung von Rachitis eingesetzt. Diese Mangelkrankheit grassierte vor allem bei Kindern in den engen und lichtlosen Armutsquartieren der Großstädte. In den 1920er und 1930er Jahren entstanden Bestrahlungsräume in Krankenhäusern, Sanatorien und Badeanstalten und ganze Schulklassen wurden auf ärztliche Anordnung unter die künstliche Sonne geschickt.

Unsere Höhensonne, deren kantiges sachliches Gehäuse das Design der 1960er Jahre vertritt, trägt die Marke „Original Hanau“, die bis heute existiert. Das Markenzeichen, die Silhouette einer unbekleideten Figur, die auf einem Gipfel stehend sich mit ausgebreiteten Armen der Sonne zuwendet, hat ein berühmtes Vorbild: das „Lichtgebet“ des Malers Fidus (eigentlich Hugo Höppener, 1868-1948). Es wurde zur Ikone der Lebensreformbewegung vor dem Ersten Weltkrieg. Sie propagierte in vielen Bereichen die Abkehr von den gesellschaftlichen Konventionen der Kaiserzeit. Dazu gehörte auch ein neues Körpergefühl, das in den 1920er Jahren das Ideal der „vornehmen Blässe“ ins Gegenteil verkehrte. Jetzt galt die sonnengebräunte Haut als Ausweis eines gesunden, sportlichen Körpers, die dank Höhensonne auch auf künstlichem Weg zu erzielen war: „Wer je auf hohen Bergen stand, in lichtdurchströmten Sphären, der möchte auch im Niederland die Sonne nicht entbehren… Verzagt drum nicht! Es gibt Ersatz, der strahlt zu allen Stunden, hat selbst im kleinsten Zimmer Platz und lässt euch schnell gesunden.“

So hieß es in der Reklame von „Original Hanau“ aus den 1930er Jahren, die Jahrzehnte lang den Wünschen der Kundschaft entsprach, bis Sonnenstudios die begehrte Bräune für den ganzen Körper verfügbar machten. In Zeiten von Ozonloch und steigendem Hautkrebsrisiko ist der unbedarfte Umgang mit der UV-Strahlung jedoch zunehmend aus der Mode gekommen. Dafür hat sie sich in einem neuen Einsatzfeld bewährt, nämlich bei der Wasseraufbereitung.