Kommode ·

Obwohl es sich um ein sehr zierliches Möbel handelt, ist es kaum zu übersehen. Schon die rote Farbe springt ins Auge, dazu die ungewöhnliche Trapezform – ein Möbel, das auffallen will. Entstanden um 1925, steht es stilistisch für eine in Deutschland eher seltene Erscheinungsform, die dem französischen Art Déco verwandt ist, ohne dessen gesuchte Raffinesse zu erreichen.

Farbige Möbel stellen bis heute in deutschen Wohnungen eine Ausnahme dar. Im Historismus beherrschten wuchtige, mit plastischem Dekor verzierte Möbel aus dunklen Hölzern die Innenräume. Der Jugendstil brachte eine deutliche Aufhellung sowohl durch die Wahl der Tapeten und Vorhänge als auch mit einer Hinwendung zu helleren Hölzern beim Mobiliar. Ein farbiger Anstrich, meist in weiß oder einer Pastellfarbe, blieb jedoch Küchen- und Kinderzimmermöbeln vorbehalten. Um 1914 war eine Generation von Künstlern und Innenarchitekten herangewachsen, die erstmals die farbige Gesamtstimmung eines Raumes schon bei der Planung im Blick hatten. In den 1920er Jahren löste sich zudem das Denken von Entwerfern und Konsumenten in „Garnituren“, also kompletten Zimmerausstattungen, allmählich auf. Die Anschaffung von Einzelmöbeln, die individuelle Kombinationen ermöglichten, bedeutete größere Flexibilität angesichts schrumpfender Wohnungsgrößen und wirtschaftlicher Unsicherheit. Am Ende des Jahrzehnts setzte das Bauhaus mit der weißen Wand als neutraler Folie einen neuen Trend.

Kleinmöbeln wurde am ehesten eine starke Farbigkeit zugestanden. Beliebt war in den 1920er Jahren das „Wiener Rot“, ein leuchtendes Orangerot. Die Deutschen Werkstätten in Dresden, einer der führenden Hersteller von Maschinenmöbeln, hatte zehn verschiedene Lackfarben für dieses Sortiment im Angebot.  Unsere ausgefallene Kommode stammt aber aus Bielefeld. Entworfen hat sie Richard Woernle (1882-1958), von 1924 bis 1948 Direktor der Bielefelder Handwerker- und Kunstgewerbeschule. Woernle war Architekt und leitete vorher die dortige Fachklasse für Innenarchitekten, Tischler und Bauhandwerker. Seine Möbelentwürfe aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg verbinden starke grafische Kontraste von dunklen und hellen Hölzern mit sparsamen neoklassizistischen Elementen. Die Kommode zeigt dagegen den Einfluss des expressionistischen Zeitstils ebenso wie eine zugehörige Deckenleuchte, die als hölzerner Stern mit bunt lackierten Zacken gestaltet ist. Für welche Wohnung diese extravaganten Einrichtungsstücke ursprünglich angefertigt wurden, ist leider nicht bekannt.