Mehr als ein Drittel der Bielefelderinnen und Bielefelder hat einen Migrationshintergrund – das heißt, sie selbst oder ihre Eltern besitzen nicht von Geburt an die deutsche Staatsbürgerschaft. Viele neue Mitbürger sind in den 1950er und 1960er Jahren nach Bielefeld gekommen, als die Wirtschaft brummte und es überall an Arbeitskräften fehlte.
Die Ausstellung
Eine Sonderausstellung im Historischen Museum Bielefeld zeigt bis zum 6. August 2023 die Geschichte dieser Menschen.
Die Kooperation
Radio Bielefeld begleitete die Ausstellung und erstellte gemeinsam mit einer Studierendengruppe der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) weitere Migrationsgeschichten aus Bielefeld und OWL hörbar.
Die Geschichten
Als in den 1950ern die Arbeitskräfte fehlten, schloss die Bundesregierung mit vielen Staaten sogenannte Anwerbeabkommen. Gesucht wurden Frauen und Männer, die ganz nach Bedarf arbeiten sollten und zwar in Jobs, für die sich kaum noch deutsche Arbeitnehmer fanden. Was das bis heute auslöste, dazu bekommt ihr von Til Hoellwerth eine Einführung:
Okans Großeltern…
…sind als Gastarbeiter aus der Türkei gekommen. Annika Schröder hat sich mit Okan unterhalten. Zentral war dabei die Frage: Was erleichtert das Ankommen in einer neuen Heimat? Und was kann verhindern, dass man sich zuhause fühlt, obwohl man schon lange da ist:
Vereinsport als Heimat
Auch die Wurzeln von Cengiz Külahs Familie liegen in der Türkei. Heute liegt seine Heimat in Brackwede, genauer auf dem Fußballplatz „Kupferhammer“. Cengis ist Co-Trainer des FC Türk Sport Bielefeld. Mit Alexander Kerbs hat er sich über den Verein unterhalten und dabei auch den Grundgedanken der Gründung geklärt:
Migration und Generation
Das vielfach genutzte Wort vom „Migrationshintergrund“ beschreibt auch Menschen, die selbst nie eine neue Heimat gesucht haben. Menschen die hier geboren und aufgewachsen sind, deren Familie aber schon vor Generationen den Entschluss fasste, ein neues Leben zu starten. So ist es auch bei der 16-jährigen Naima* (*Name geändert). Ihre Eltern stammen aus Marokko. Sie selbst ist in Bielefeld geboren. Eindeutig „angekommen“ fühlt sich Naima aber trotzdem nicht und das hat auch mit der Schule zu tun. Claire Florence Kempa erzählt ihre Geschichte:
Der neue Name
Mohammed Ali, kurz Moe, ist in Deutschland geboren. Seine familiären Wurzeln liegen in Algerien. Ein Ort, an dem er Jahre seiner Kindheit verbringt, sich jedoch nicht zuhause fühlt. Aber auch in Deutschland fiel ihm das zunächst schwer. Rassistische Anfeindungen bringen ihn dazu, eine Namensänderung vorzunehmen. Ein großer Schritt. Wie er heute darüber denkt und wie Moe es geschafft hat, hier bei uns anzukommen, er hat es Viktoria Schöning erzählt:
Gekommen um zu arbeiten…
… das war das Los der Gastarbeiter und auch das von Pierangelo Zava. Seine Arbeit macht er bis heute in der ältesten Eisdiele Bielefelds. Seit über 50 Jahren schon gibt es an der Friedrich Ebert Straße Schoko, Vanille und mehr in die Waffel. Anfang der 90er übernahm Pierangelo den Laden und nannte ihn in Eiscafé Zava um. Bis heute macht ihn die Arbeit stolz. Sie verhindert aber auch das wirkliche „Ankommen“. Samantha Rudi hat mit Pirangelo gesprochen:
Arbeiten um anzukommen
Auch Rachid Radou arbeitet in Bielefeld in der Nähe des Kesselbrinks. In Rachids Kitchen an der August-Bebel-Straße hat er 2018 einen algerisch-französischen Imbiss aufgemacht. Rachid empfindet seine Arbeit jedoch anders als Pirangelo als Schlüssel zum Ankommen. Moritz Büscher hat den gebürtigen Algerier getroffen:
Ungeplant angekommen: Yennis Reise
Yenni kam und ist geblieben. Dabei war das gar nicht ihr Ziel, als sie sich 2019 in das Abenteuer stürzte. Die Kolumbianerin wollte Erfahrungen sammeln und nahm eine Stelle als Au Pair in Paderborn an. Niemals hätte sie gedacht, dass sie eine neue Heimat findet. Luca Felicitas Vogt erzählt euch Yennis Reise und was dazu führte, dass Yenni sich hier angekommen fühlt:
Geplant angekommen: Das One-Way-Ticket aus Südafrika
Mutter Inge und Tochter Zena haben sich ganz bewusst dafür entschieden ihr altes Leben hinter sich zu lassen und eine neue Heimat zu finden. Heute fühlen sie sich hier in Ostwestfalen Lippe angekommen. Über das Warum haben sich die beiden unterhalten und Tami Janine Tebert durfte ihnen zuhören:
Ibrahim – Geflüchtet aus Syrien
War es in den 1950er und 1960er Jahren noch die Arbeit, die Menschen dazu brachte ihre Heimat zu verlassen, so ist es aktuell oft ein ganz anderer Grund. Menschen verlassen ihre Heimat aus Angst vor Armut, Verfolgung und Krieg. Auch Ibrahim ging nicht freiwillig. Er hat Lea Becker verraten, worin er den Schlüssel zum Ankommen in seiner neuen Heimat Bielefeld sieht:
Aleksandra – Geflüchtet aus der Ukraine
Auch Aleksandra floh vor dem Krieg. Sie ist einer von zahlreichen Menschen, die nach Putins Angriff die Ukraine verlassen haben und in Bielefeld untergekommen sind. Die 20-Jährige wurde von ihren Eltern allein auf die Flucht geschickt. Hier angekommen hatte sie das Glück, in einer Gastfamilie aufgenommen zu werden. Thomas Linnemann erzählt ihre Geschichte:
Devrim – Gekommen aus Deutschland
Devrim Ucer ist 31 Jahre alt und schon öfter in verschiedene Städte gezogen. Er lebte in Heidelberg, Frankfurt, Düsseldorf und Köln. Aktuell wohnt und arbeitet Devrim in Bielefeld und sagt, dass er bei der Auswahl seines Wohnortes nicht festgelegt sei. Was dazu führt, dass er sich dennoch angekommen fühlt, das hat Devrim Louisa Rabeneick erzählt:
Inés‘ Mutter
Zurück zu den Gastarbeitern und Gastarbeiterinnen der 1950er und 1960er Jahre. Tatsächlich waren unter den angeworbenen Gastarbeitern längst nicht nur Männer. Auch Inés Mutter Catalina Carnés Rodriguez kam 1962 als 22-jährige junge Frau nach Bielefeld in die Ravensberger Spinnerei. Ein Eintrag in einem Poesiealbum das im Historischen Museum ausgestellt ist, führte Lina Hildebrand zu Inés, die ihr mehr über ihre Mutter erzählt hat: