Dreieckstuch •
Wer hat nicht schon einmal eine unverständliche Gebrauchsanweisung verflucht oder ihr Nichtvorhandensein, wenn sie dringend gebraucht wurde? Auf die Idee, die Gebrauchsanweisung direkt auf dem zugehörigen Gegenstand anzubringen, sind bisher vor allem die Hersteller von Feuerlöschern gekommen – und Herr von Esmarch. Das von ihm entworfene Dreieckstuch, so einfach wie genial, gehört heute noch zu jedem Verbandkasten.
Johann Friedrich August von Esmarch (1823-1908) stammte aus einer alten schleswig-holsteinischen Juristen- und Pastorenfamilie. Beruflich trat er in die Fußstapfen seines Vaters, der Arzt war. Frisch promoviert, geriet er als Feldarzt in die Kämpfe, die 1848 bis 1850 die schleswig-holsteinische Freiheitsbewegung gegen Dänemark ausfocht. Hier sammelte er erste Erfahrungen mit Verwundungen und ihrer Versorgung auf dem Schlachtfeld. An den Einigungskriegen von 1864, 1866 und 1870/71 nahm Esmarch als Chirurg teil, 1870 bereits als Generalarzt. Im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 trug er erstmals die weiße Armbinde mit dem Roten Kreuz, nachdem Henri Dunant ein Jahr zuvor die Hilfsorganisation gegründet hatte. Seit 1866 wirkte er in Berlin und hatte die Oberaufsicht über alle Lazarette.
Im Jahr 1869 veröffentlichte Esmarch die Schrift „Der erste Verband auf dem Schlachtfelde“. Er betrachtete ihn als „Beitrag zur Linderung der ersten Noth“ und wünschte, dass zukünftig kein Soldat, ohne ein solches Tuch bei sich zu führen, in den Kampf ziehen sollte. Das dreieckige Tuch diente zum Verbinden unterschiedlichster Verletzungen und zum Fixieren von Schienungen. Um die Anwendungsmöglichkeiten vor Augen zu führen, ließ Esmarch zunächst eine gemäldeartige Szene mit preußischen Soldaten auf das Tuch drucken, bei der einige Figuren im Vordergrund entsprechende Verbände trugen. 1873 folgte eine vereinfachte Darstellung, die sich auf die Verwundeten und 34 Anwendungsarten des Verbandes konzentrierte. Die lithografische Vorlage schuf der Zeichner und wissenschaftliche Illustrator Johann Heinrich Wittmaack (1822-1887).
Esmarchs Tätigkeit beschränkte sich nicht nur auf den militärischen Bereich. Als Direktor der chirurgischen Klinik in Kiel erwarb er sich große Verdienste durch fortschrittliche Operations- und Anästhesietechniken. Er dehnte den Gedanken der Ersten Hilfe auf den zivilen Sektor aus und propagierte entsprechende Kurse. Sein Werk „Die erste Hülfe bei plötzlichen Unglücksfällen“ erschien in vielen Auflagen und wurde in fast 30 Sprachen übersetzt. In zweiter Ehe mit einer Tante der deutschen Kaiserin verheiratet, hatte er Zugang zum Hof in Berlin und genoss hohes Ansehen.
Wie kommt nun das bedruckte Tuch in die Sammlung des Historischen Museums? Mehrere Exemplare gehören zu einem Bestand, der aus dem Bielefelder Traditionsunternehmen Holste ins Museum wanderte. Seit der Gründung im Jahre 1886 stellte die Firma Erzeugnisse zur Wäschepflege und Drogerieartikel her, also quasi chemische Artikel für den Hausgebrauch. Ob die Dreieckstücher aus feinster Baumwolle als Muster für Bleich- oder Fleckenreinigungsvorgänge oder tatsächlich zum Gebrauch bei eventuellen Unfällen im Betrieb aufbewahrt worden sind, lässt sich nicht mehr feststellen.