Faltenbügler •

Der Nobelpreisträger Thomas Mann inszenierte sich auf offiziellen Fotos als Mann von Welt, als ein „Herr“ im bürgerlichen Sinne. Korrekter Anzug und Krawatte waren Teil dieser Inszenierung, gaben den Stand und auch die geistige Verfasstheit der Person wieder. Die messerscharfe Bügelfalte war in ihrer Präzision ein komprimierter Ausdruck dieser Haltung. Ob Alfred Döblins maliziöse Einschätzung zutrifft, Thomas Mann habe die Bügelfalte zum Kunstprinzip erhoben, sei dahingestellt, ihre Zeichenfunktion für korrekte Herrenbekleidung war in den 1950er Jahren jedenfalls unbestritten.

Die Vorherrschaft der Bügelfalte dauerte nicht einmal hundert Jahre. Im 19. Jahrhundert wurden Hosen auf die Seitennähte gebügelt. Angeblich brachte  der englische König Edward VII. die Bügelfalte um 1900 unabsichtlich in Mode, als auf einer Reise ein Schneider seine Hose mit einer mittig eingebügelten Falte zurückgab. Beim öffentlichen Auftritt des Königs wurde diese Neuheit bemerkt und sofort eifrig kopiert. Schon bald hatte sich die Bügelfalte bei Herrenhosen durchgesetzt.

In der bundesrepublikanischen Gesellschaft der Nachkriegszeit verkörperte sie das Prinzip der Ordnung. Kein Wunder, dass sich ausgebeulte Knie oder zerknitterte Krawatten als Ausweis von Nachlässigkeit und Mangel an Disziplin deuten ließen. Hier versprach der FALBU Bügelfalt-Apparat Abhilfe. Das Gerät wurde von der Firma Rudolf Stucki in Bern entwickelt und etwa ab 1955 in Villingen in Lizenz hergestellt. Der Bakelitkörper erlaubte es, den Bügler in verschiedenen kräftigen Farben anzubieten. Die Bügelflächen bestehen aus Aluminiumblech und schließen sich über eine Feder wie eine Zange um den Stoff. In der hohlen Achse sitzt ein Heizstab, der elektrisch auf Temperatur gebracht wird.

Der Bügelhelfer eignete sich besonders für unterwegs, wenn ein herkömmliches Bügeleisen oft nicht zur Hand war. Gerade Geschäftsreisende mussten auf ein gepflegtes Aussehen Wert legen. Hier empfahl sich FALBU nachdrücklich: „Sie wechseln nur den Heizeinsatz gegen einen besonderen Auto-Heizeinsatz aus, stecken an Ihre Autosteckdose an, lassen den Motor laufen und schon geht es zu wie zu Hause … Mit einer piekfeinen Bügelfalte verlassen Sie Ihren Wagen!“

In den 1950er Jahren waren Elektrogeräte verhältnismäßig teuer. Um ihre Anschaffung dem Kunden schmackhaft zu machen, bemühten sich die Konstrukteure, ihren kleinen Haushaltshelfern möglichst viele Funktionen beizulegen. Der Bügelfalt-Apparat macht hier keine Ausnahme. Durch Auseinanderdrücken der Griffe lässt sich der Heizstab entnehmen und als Tauchsieder einsetzen. Geben wir noch einmal der Werbung das Wort: „Warmes Wasser zum Rasieren, Zähneputzen, Waschen können Sie sich rasch bereiten, u. U. auch eine Tasse Tee oder Kaffee … Und wenn Sie mal einen Bierwärmer brauchen? Bitte, da ist er!“ Kein Wunder, wenn es heißt: „Viele Tausend FALBU-Besitzer bekunden ihm begeistert ihre Anerkennung.“ Angesichts solcher Euphorie stimmt es fast traurig, dass die Bügelfalte im Straßenbild zu einer Seltenheit geworden ist.