Zigarettenspender •

Was macht der Vogel vor dem Holzkasten? Da gibt es doch nicht einmal ein Einflugloch!? Wenn man den kurzen Stab auf der Walze (im Bild hinter dem Vogel) bewegt, neigt sich der Vogel nach vorne und sein Daseinszweck wird erkennbar: Die Schublade in dem Kasten öffnet sich, darin liegt eine Zigarette, die der hölzerne Piepmatz mit dem Schnabel greift und, zurückgekehrt in die Ausgangsposition, dem Raucher präsentiert. Ein einfacher Druckschieber im Inneren des Behältnisses, das aus Eschenholz und Sperrholz recht simpel angefertigt ist, sorgt für diesen Aha-Effekt.

„Gleite ins Weite und in die Höh! / Adieu, du zartes Bleu / Meines Zigarettenrauches, / Der du so sanft entfliehst. / Wenn du ein zierliches Nasenloch siehst, / Küß dem die Haare als Gruß meines Hauches.“

Was heute eher als Geruchsbelästigung empfunden wird, war im Jahr 1933, als die poetischen Verse von Joachim Ringelnatz entstanden, allgegenwärtig und fraglos akzeptiert. Der Tabakkonsum hatte sich über die Jahrhunderte in verschiedener Form entwickelt. Lässt man den Kautabak einmal beiseite, so dominierte zunächst die Pfeife als Rauchinstrument, um die ein ganzes Ritual von Handgriffen entstand. Das 18. Jahrhundert verbannte die Pfeife zu den unteren Volksschichten und zelebrierte mit kostbaren Tabatièren das Schnupfen. Als sich im 19. Jahrhundert die Zigarre durchsetzte, galt sie als Symbol der Schnelllebigkeit, die mit der Industrialisierung die Gesellschaft erfasst hatte. Gegenüber den bedächtigen Handlungen des Pfeifenrauchers erschien der Zigarrenraucher, der seine Tabakrolle nur in den Mund steckte und anzündete, als modern.

Die Zigarette hat ihren Ursprung in Mexiko und Spanien, wo Tabakreste in den Zigarrenmanufakturen in Papier eingerollt wurden. Das schlanke Format schien besonders geeignet für Frauenhände, obwohl zunächst nur so ungewöhnliche Damen wie Lola Montez sich erkühnten, öffentlich zu rauchen. Um 1900 hatte die Zigarre ein gediegen-bürgerliches, ein wenig altväterisches Ansehen bekommen, während die Zigarette als Zeichen großstädtischer Lebensweise galt. Dresden, wo 1862 die erste deutsche Zigarettenfabrik gegründet wurde, entwickelte sich zum Zentrum der Branche.

„Es wäre sehr wünschenswert, wenn die Cigarettenraucher etwas von der alten Cigarrenraucherkultur lernen könnten und auf dieser Tradition eine wirkliche Cigarettenkultur aufbauen würden“, heißt es 1924 in dem Büchlein „Die Cigarette“. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Zigarettenkonsum weit verbreitet war, bildete sich in den Wirtschaftswunderjahren tatsächlich eine eigene Dingwelt um den Glimmstängel heraus. Eine Ablage für die Asche und Streichhölzer oder Feuerzeug genügten nicht mehr. Vor allem das Anbieten von Zigaretten gehörte zum guten Ton. Der zigarettenpickende Vogel sorgte dabei für Überraschung, war aber nicht allein. Es gab Esel, die aus ihrem Hinterteil eine Zigarette hervorzauberten, einen Messingglobus, der sich in einen rauchwarenstarrenden Igel verwandelte oder ein drehbares Gehäuse, das die Glimmstängel mit Spieluhrmusik begleitete. All diese skurrilen Gegenstände sind in dem Maße, wie die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens thematisiert wurde, außer Gebrauch und in Vergessenheit geraten.