Bielefelder Kunstblatt •

„Ein kleines Blatt, in schlichtem Gewande, möchte heute versuchen sich Leser und Freunde zu erwerben“ – so bescheiden leitete der Herausgeber Otto Fischer seine neue Zeitschrift, das Bielefelder Kunstblatt, im September 1907 ein. Den Anstoß für das Unternehmen gab nach seinem Vorwort das Empfinden, dass in der ständig wachsenden Stadt das Interesse und Verständnis für Kunst und Kultur geweckt seien. „Wo immer in Bielefeld und in der weiteren Heimat Ideen hervortreten, die verdienen bekannt zu werden, wo etwas zur Pflege lebendiger Kunst geschieht, da will das „Bielefelder Kunstblatt ein Wächter und Berichterstatter sein.“ Als Mitarbeiter an der Zeitschrift konnte der Herausgeber bekannte Namen anführen, etwa den Direktor des Landesmuseums in Münster, Adolf Brüning, den Musikdirektor Wilhelm Lamping und sogar Karl Ernst Osthaus, den Gründer und Besitzer des Folkwang-Museums in Hagen.

Otto Fischer (1879-1927) hatte 1901 eine Buchhandlung in Bielefeld eröffnet und erweiterte sie bald um einen Kunstsalon, in dem er bemerkenswerte Ausstellungen zeigte. Erstmals konfrontierte er das heimische Publikum mit moderner Kunst, etwa mit den Worpsweder Malern, Vertretern der Münchner und Berliner Secession und sogar mit 44 Werken Edvard Munchs, eine weit über Westfalen hinaus bedeutsame Pioniertat.

Der Zeitpunkt für die Gründung der Zeitschrift war gut gewählt, denn nur wenige Monate zuvor war die Bielefelder Handwerker- und Kunstgewerbeschule eröffnet worden. Diese Einrichtung sollte mit ihrer Ausbildung die gestalterische Qualität der Produkte in manchen Gewerben verbessern. Sie bot aber auch Raum für freie künstlerische Betätigung, sodass sie zum Anziehungspunkt für entsprechend interessierte Kreise zu werden versprach. Die Lehrkräfte der neuen Schule waren selbst bekannte Kunstschaffende und folgerichtig gehörte der erste Direktor, Wilhelm Thiele, gleich zu den Mitarbeitern des Bielefelder Kunstblatts. Der wichtigste  Mitstreiter Fischers war anfangs aber Dr. Franz Bock. Der 1876 in Herford geborene Kunsthistoriker war zu dieser Zeit Privatdozent an der Universität Marburg und verfasste mehrere Aufsätze zur Kunstentwicklung in Bielefeld.

Die Verbindung zu der Schule kam auch in der Titelillustration zum Ausdruck, die auf den Heften des ersten Jahrgangs auftaucht. Der blühende Baum, Beispiel eines stark abstrahierenden Jugendstils, ist von Gertrud Kleinhempel (1875-1948) entworfen. Sie leitete die Textilklasse der Schule und war eine deutschlandweit bekannte, äußerst vielseitige Entwerferin. Der zweite Jahrgang brachte eine Namensänderung der Zeitschrift, die jetzt als Westfälisches Kunstblatt auftrat. Tatsächlich hatte sie schon vorher mit ihren Beiträgen und Mitarbeitern weit über Bielefeld und sein Umland ausgegriffen. Nachdem Fischer die ersten Hefte noch gratis abgegeben hatte, war die Zeitschrift nun zu einem jährlichen Abonnementspreis von drei Mark erhältlich. Im Sommer 1910 stellte sie ihr Erscheinen aus unbekannten Gründen ein.

Trotz ihrer Kurzlebigkeit gewährte diese „Monatliche Rundschau für bildende Kunst, Musik und Theater“ einen guten Einblick in das Kulturleben westfälischer Städte und besonders Bielefelds in einer kulturellen Umbruchsphase. Wichtige Neubauten wurden hier mit Fotos und Grundrissen vorgestellt, Ausstellungen, Theateraufführungen und Konzerte besprochen. Und noch das letzte Heft beschäftigte sich intensiv mit Bielefelds neuer Sehenswürdigkeit, dem Leineweberbrunnen.