Haartrockner •

Haben Sie heute schon die Federn Ihrer Boa gekräuselt? Wenn Sie jetzt sagen, dass Sie keine Schlange zuhause haben und auch nicht wussten, dass Schlangen Federn haben – vielleicht erinnern Sie sich an Heinz Rühmann, der als „Charleys Tante“ eine Federboa als mondänes Requisit um den Hals geschlungen trug. Das Werkzeug, um dieser Boa die richtige Form zu verleihen, gibt es heute in jedem Haushalt: der Föhn, oder eigentlich richtiger der Haartrockner.

Bereits 1899, in den stürmischen Anfangsjahren der Elektroindustrie, brachte die Allgemeine Electricitäts-Gesellschaft (AEG) eine Urform des Haartrockners auf den Markt. Das Gerät, angetrieben von einem im Griff verbauten Motor,  wog zwei Kilogramm und blies bis zu 90 Grad heiße Luft aus. Zehn Jahre später ließ die Berliner Firma „Sanitas“ für ihr Produkt den Markennamen „Fön“ eintragen. Geschickt übertrug man den Namen des warmen Föhnwinds, der durch den Voralpenraum bläst, auf das pustende Elektrogerät. Damit gelang etwas, wovon Marketingexperten träumen: Der Markenname wurde zur Bezeichnung für den Gegenstand selbst. Bis 1996 unterschied das „h“ in der Mitte den Wind vom Haartrockner, dann machte die Rechtschreibreform diesen Unterschied in der Schreibweise zunichte.

Die „Sanitas“ wie auch andere Hersteller wiesen in Anzeigen auf die Einsatzmöglichkeiten des Geräts hin. Die Behandlung von Rheumatismus stand an erster Stelle. Neben der Federboa sollten auch Frauenhaare und das Fell von vierbeinigen Hausgenossen gepflegt werden. Der Föhn wärmte Bettwäsche, Windeln und Handschuhe und Fotografen trockneten damit ihre Fotoplatten. 1911 warb die „Sanitas“ für ihr neues Modell, das knapp ein Kilo wog, mit den Worten: „Sehr leicht. Kein Ermüden der Hand.“ Der Preis betrug 45 Mark, der Stundenlohn eines Elektrikers lag damals etwa bei 40 Pfennig.

Aus dieser Relation wird deutlich, dass der Föhn wie alle Elektrogeräte für den Haushalt vor dem Ersten Weltkrieg nur für eine verschwindend kleine Bevölkerungsgruppe in Betracht kam. Zudem war nur eine geringe Zahl von Haushalten an das elektrische Netz angeschlossen. Erst in den 1920er Jahren schritt die Elektrifizierung voran und erreichte etwa 50% der Haushalte. Da die meisten Kunden den Strom nur zur Beleuchtung nutzten, waren die Unternehmen bemüht, die Abnahme am Tag zu steigern. Unterstützt durch massive Werbekampagnen erfolgte eine erste Technisierung der Haushalte mit Elektrogeräten, die inzwischen kleiner, billiger und ausgereifter geworden waren. Die „Sanitas“ veröffentlichte in den 1930er Jahren das „lustige Fön-Buch“ mit humorigen Bildergeschichten, die den Föhn vor allem als ideales Geschenk für die Dame propagierten.

In Langenhagen bei Hannover gründete Max Schott 1925 eine Fabrik für Heiz- und Kochgeräte, die sein Sohn Werner zu einem mittelständischen Unternehmen mit über 300 Mitarbeitern ausbaute. Zum Programm gehörten natürlich auch Haartrockner wie das Exemplar aus unserem Museum, das mit dem Originalkarton erhalten ist. 1957 hatte AEG die Firma Sanitas übernommen und damit die Markenrechte an dem Namen „Fön“, über die sie eifersüchtig wachte. So durfte Schott wie alle anderen Konkurrenten sein Produkt nur als „Haartrockner“ auf den Markt bringen. Laut Garantieschein wurde unser Exemplar 1960 in Bielefeld verkauft. Es zeigt noch immer die traditionelle Form und das chromblitzende Gehäuse, während in Frankreich schon schlankere und leichtere Geräte aus Kunststoff in Pistolenform vorherrschten, mit denen der Föhn zum Objekt für Designer wurde. Bestimmt kommen irgendwann die Föhnfrisuren der 1970er Jahre wieder in Mode – bis dahin kann man an der Federboa üben.