Porzellanhund •
Aufmerksam blickt er nach vorn, gespannt von der Nase bis zur Schwanzspitze, ein Vorstehhund, wie er sein soll. Damit entspricht er dem Typ des Pointers, der durch seine Haltung dem Jäger die Richtung anzeigt, wo sich das aufgespürte Wild befindet. Eine andere Art, die Beute, in der Regel Fasane oder andere Hühnervögel, zu markieren, bestand im Niederkauern des Hundes. Von diesem Manöver leitet sich der Name der Hunderasse Setter ab (setting dogs). Bei unserem schönen Exemplar handelt es sich um einen Irish Red and White Setter, ein zuverlässiger und gutmütiger Jagdhund. Aus dieser Rasse wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts der einfarbig rote Setter herausgezüchtet, der die ältere Farbvarietät fast ganz verdrängte. Nach dem Ersten Weltkrieg wandte man dem Red and White wieder mehr Aufmerksamkeit zu, die sich auch in Abbildungen als Porzellanfigur niederschlug.
Unser Exemplar stammt aus der Firma Hertwig & Co. im thüringischen Ort Katzhütte. Das 1864 gegründete Unternehmen spezialisierte sich auf Luxusporzellan, Porzellanpuppen und Steingutartikel, es überstand den Zweiten Weltkrieg und die DDR und gab erst 1990 den Betrieb auf. Der gut charakterisierte und modellierte Jagdhund, der einen talentierten, aber leider nicht bekannten Bildhauer als Formgeber verrät, entsprach genau dem Zeitgeschmack. Der Irish Red and White Setter ist als Porzellanfigur auch von Manufakturen wie Meißen, Nymphenburg, Ens-Volkstedt, Metzler & Ortloff oder Augarten-Wien bekannt. Die Tierplastik hatte um 1900, nicht zuletzt durch das vorbildhafte Werk von August Gaul (1869-1921), einen enormen Aufschwung genommen. Qualitätvolle Tierplastiken, gleich ob in Bronze oder Porzellan, brachten Exotik oder Heimatverbundenheit in das bürgerliche Wohnzimmer, appellierten an die Tierliebe und waren überdies erschwinglich.
Die Bedeutung dieser Tierfigur innerhalb der Sammlungen des Historischen Museums geht allerdings über ihren Stellenwert als Schöpfung des Kunstgewerbes hinaus. Sie war im Besitz des jüdischen Unternehmers und Sammlers Julius Mosberg (1868-1943), der gemeinsam mit seinem Bruder Max die 1850 vom Großvater in Bielefeld gegründete Firma zur Herstellung von Arbeits- und Berufskleidung leitete. Der erfolgreiche Unternehmer besaß ein großbürgerliches Haus in der Lessingstraße. Im Sammeln von Büchern, Antiquitäten und Kunstgegenständen fand Julius Mosberg einen Ausgleich zum Beruf. Er war mit dem Maler Peter August Böckstiegel gut bekannt und gehörte zum Kreis seiner „Kunstfreunde“, die häufiger Werke ankauften. Der kunstsinnige Sammler engagierte sich aber auch kulturpolitisch, kämpfte in der Ravensberger Kunstgemeinde für den Erhalt des Stadttheaters und war Beiratsmitglied im Freundeskreis des Bielefelder Kunsthauses.
Julius Mosberg starb mit seiner Frau im KZ Theresienstadt, seine Sammlung wurde ab 1939 verkauft, verschenkt und in alle Winde zerstreut. Umso erfreulicher war es, dass das Museum 2014 einige Möbel aus dem Haus in der Lessingstraße und einige wenige kunstgewerbliche Gegenstände als Geschenk bekam. So weist der Setter nicht nur auf das imaginäre Wild hin, sondern auch auf das tragische Schicksal eines bekannten jüdischen Bürgers aus Bielefeld.