Kaumaschine •

Es sieht auf den ersten Blick aus wie Großmutters Fleischwolf: ein massives Gerät aus Metallguss, das sich mit einer Zwinge an den Tisch schrauben und mit einer Kurbel bedienen lässt. Oben befindet sich ein Trichter, der das zu zerkleinernde Fleisch aufnimmt. Zwei Dinge aber irritieren: Da ist zum einen der fest mit dem Gerät verbundene durchlöcherte Auslass vorn, zum anderen die geringe Größe. Nur 20 cm misst das rätselhafte Ding – ist es etwa ein Spielzeugfleischwolf?

Der Hersteller, die Metallwarenfabrik August Beer in Velbert, bezeichnete sein  Produkt mit dem prosaischen Namen „Kaumaschine“. Die 1860 gegründete Fabrik war auf hauswirtschaftliche Maschinen wie Fleischwölfe, Mühlen und  Pressen spezialisiert. Velbert war bis weit ins 20. Jahrhundert ein Zentrum für Eisen-, Stahl- und Tempergießereien. Der Markenname „WEDROH“, der für die Unterabteilung Wentster & Droege des Großbetriebs stand, ist in erhabenen Buchstaben auf dem Gerät eingegossen, ebenso das Kürzel D.R.G.M. Damit dokumentierte die Firma, dass sie für ihr Produkt einen staatlichen Gebrauchsmusterschutz erhalten hatte, der einen Nachbau verbot.

Die Kaumaschine zerkleinerte kleinste Mengen an Fleisch, Gemüse oder Nüssen in rohem oder zubereitetem Zustand. Die Schnecke im Inneren des Geräts transportierte das Nahrungsmittel in die „Schnauze“ und presste es durch die Löcher. Im Unterschied zu einem Fleischwolf wurde dabei kein Messer verwendet, sodass das Ergebnis eher einem Püree ähnelte. Die Firma gab auch gleich ihr Zielpublikum bekannt: „Für Magenleidende, Zahnkranke und für Säuglingskost“. In den 1930er Jahren, aus denen unser Exemplar stammt, kostete das Maschinchen 5,70 Reichsmark.

Solche Geräte wurden auch als Mastikatoren bezeichnet, abgeleitet vom lateinischen Wort „masticare“ = kauen. Angesichts der schlechten Zahnhygiene, die in früheren Zeiten herrschte, war der Bedarf vorhanden. Viele Menschen verloren ihre Zähne ohne Chance auf Zahnersatz, der kostspielig und wenig komfortabel war. Ein Mastikator half ihnen dabei, die Nahrung quasi in vorgekauter Form zu sich nehmen zu können. Im Zahnmuseum Linz ist ein derartiges Gerät aus Holz aus der Zeit um 1700 erhalten. Aber seit der Industrialisierung war es möglich, effizientere Werkzeuge aus Metall seriell herzustellen. Die Kaumaschine aus Velbert, die sich in Aussehen und Mechanik an den Fleischwolf anlehnt, konnte sich langfristig gegen eine simplere Form des Mastikators nicht durchsetzen. In Solingen, dem Zentrum der Schneidwarenindustrie, wurde ein scherenartiges Instrument hergestellt mit Feststeller, einer Flügelmutter und mittiger Feder. Mit der geriffelten Innenfläche lässt sich durch manuellen Druck die Nahrung zerquetschen. In dieser Gestalt sind Mastikatoren heute noch im Handel. Glücklicherweise dienen sie heute kaum mehr zahnlosen Rentnern, sondern Kleinkindern oder behinderten Menschen bei der Nahrungsaufnahme.