Notgeldkissen •

Geld unter der Matratze oder dem Kopfkissen zu verstecken, war in früheren Zeiten eine durchaus gängige Praxis, die auch heute noch nicht ganz verschwunden sein soll. Aber ein Kissen aus Geldscheinen? Dass man sich beruhigt darauf nieder ließ, ist zu bezweifeln, führt es doch in eine krisenhaft-turbulente Periode der deutschen Geschichte.

Als Notgeld werden Scheine und Münzen bezeichnet, die von Kommunen, Sparkassen oder sogar Unternehmen im Ersten Weltkrieg und den Folgejahren ausgegeben wurden, um eine momentane Knappheit an Zahlungsmitteln zu beheben. Solche Maßnahmen griffen natürlich in die Hoheit des Staates ein, der sie in der Notsituation jedoch genehmigte oder zumindest stillschweigend zuließ. Der Auslöser war die Entscheidung der Reichsbank, gleich bei Kriegsbeginn im Sommer 1914, die garantierte Golddeckung der Banknoten aufzuheben. Daraufhin hortete die Bevölkerung alle Münzen aus Edelmetall, die damals noch zahlreich im Umlauf waren. Sie fehlten jetzt im alltäglichen Zahlungsverkehr und wurden kurzfristig durch eilig hergestellte „Gutscheine“ oder „Kriegsplatzanweisungen“ der oben genannten Herausgeber ersetzt. Als sich die Lage 1915 wieder normalisiert hatte, stellte man erstaunt fest, dass viele Menschen diese unscheinbaren Zettel als Zeugnis einer ungewöhnlichen Zeit sammelten.

Im Verlauf des Krieges verschärfte sich die Münzknappheit, nachdem auch Kupfer und Nickel für militärische Zwecke gebraucht wurden. Eine zweite Phase des Notgelds begann. Diese Scheine waren weit sorgfältiger gestaltet und gedruckt, um die Sammeltätigkeit anzuregen, denn jeder nicht eingelöste Schein bedeutete für den Emittenten Gewinn. Vor allem Kommunen nutzten die Gelegenheit, sich mit ihren Wahrzeichen, historischen Bauten, bedeutenden Persönlichkeiten oder lokalen Sagen zu präsentieren. Nach Kriegsende wurde das Notgeld in den Anfangsjahren der Weimarer Republik zur Dauereinrichtung. Die immer schneller steigende Inflation 1922/23 verschärfte die Lage, weil zunehmend das reguläre Geld für die Auszahlung von Löhnen etc. fehlte und die Reichsbank mit dem Drucken nicht nachkam. Erst mit der Rentenmark, die Ende 1923 eingeführt wurde, hatte der Spuk ein Ende und das Notgeld verschwand aus dem Alltag.

Das Bielefelder Notgeld hat eine durchaus internationale Bekanntheit erreicht. Das ist den Aktivitäten des Sparkassendirektors Paul Hanke zu verdanken, der vor allem PR-Fachmann war und das Notgeld zu seinem persönlichen Steckenpferd machte. Seine Sparkasse, die er 1925 dann verlassen musste, hinterließ er hingegen „in meisterhafter Unordnung“, wie ein Prüfbericht vermerkt. Hanke zielte von vornherein auf Sammler ab, als er Geldscheine auf Leinen, Seide und Samt drucken und manchmal obendrein mit Borten verzieren ließ. Nirgendwo entstanden so viele verschiedene Varianten wie in Bielefeld. Im November 1923 gab die Stadtsparkasse noch eine Serie von Goldmark-Scheinen auf Samt heraus, aus denen unser Kissen besteht. Aus den Stoffscheinen, die offenbar häufig gar nicht als Zahlungsmittel angesehen wurden, nähten die Zeitgenossen auch Tischdecken oder sogar Kleider. Diese Gegenstände sollten die Erinnerung an eine buchstäblich „ver-rückte“ Zeit bewahren.