Blumenpresse •

„Die Freude, die wir an den Blumen haben, das ist noch ordentlich vom Paradiese her …; eine Blume recht zu betrachten, bis auf den Grund in sie hineinzugehen, da kommen wir nie mit zu Ende“, notierte 1802 der Maler Philipp Otto Runge. Er blieb nicht bei der Betrachtung stehen, sondern fertigte zauberhafte Weißschnitte von Blumen an. Die Blumenseligkeit der folgenden Jahrzehnte, die sich mit den Epochenbegriffen Romantik und Biedermeier umgreifen lassen, verdichtet sich auch in unserem schmucken Gerät.

Es besteht aus zwei Holzplatten, die außen mit verschiedenen Edelhölzern furniert und mit einem Mittelfeld versehen sind, wo sich hinter Glas bunte Blumen zeigen. Seitlich verbinden dicke Holzschrauben die beiden Platten. Mit Hilfe von gedrechselten Knebeln, die mit beinernen Knöpfen verziert sind, lassen sich Ober- und Unterteil zusammenpressen oder lösen. Die Blumen, die den Zweck des Geräts aufscheinen lassen, sind das Ergebnis sorgsamer Handarbeit, mit Wollfäden auf einen perforierten Karton gestickt. Damit gehört unsere Blumenpresse, die um 1840/50 entstanden ist, in die Sphäre der Liebhaberei und des häuslichen Zeitvertreibs.

Die romantische Wiederentdeckung und Glorifizierung der Natur ging parallel mit ihrer wissenschaftlichen Durchdringung. In den 1750/60er Jahren hatte der schwedische Forscher Carl von Linné (1707-1778) eine Systematik für das gesamte Naturreich der Tiere, Pflanzen und Mineralien entwickelt. Er teilte die Arten anhand leicht verifizierbarer Erscheinungsmerkmale wie Anzahl, Größe, Form oder Lage in Klassen und Ordnungen ein. Bei Pflanzen dienten beispielsweise Staubblätter und Stempel als Anhaltspunkte zur Klassifizierung. Dieses fassliche System war für die wissenschaftliche Botanik lange vorbildhaft, reizte aber auch dazu, das Sammeln und die Bestimmung von Pflanzen als Steckenpferd zu wählen. Im Bürgertum war es durchaus verbreitet, die  Blüten und Pflanzenteile, die vorher in der Blumenpresse zwischen saugfähigem Papier gepresst und getrocknet worden waren, zu beschreiben und in ein Herbarium einzukleben.

Neben solcher populärwissenschaftlichen Freizeitbeschäftigung wurde ein wahrer Blumenkult getrieben. Blüten in allen Farben und Formen waren als Dekoration auf Stoffen, Kleidern, Tapeten, Porzellan und vielen Gebrauchsgegenständen allgegenwärtig. Die symbolische Bedeutung von Blumen wurde zu einer diffizilen Blumensprache ausgeweitet, sodass ein Strauß oder Kranz in seiner Zusammenstellung die unterschiedlichsten Botschaften transportieren konnte. Auch in diesem Zusammenhang kam die Blumenpresse zum Einsatz, wenn getrocknete Blüten in einem Freundschaftsalbum, einem Brief oder einem persönlichen musée sentimental Gefühle für die Zukunft perpetuieren sollten. Das verblasste und bröckelnde Veilchen als Sinnbild treuen Andenkens in manchen Poesiealben des 20. Jahrhunderts ist ein letzter Ausläufer dieser Gedankenwelt.