Zinngießerformen

Zinngießerformen, um 1840/50

Auf den ersten Blick wirkt es wie ein merkwürdiger Bausatz: massive Bronzehohlformen, zum Teil paarweise vorhanden, nebeneinander aufgestellt. Der zweite Blick setzt die Formen zu einem Kerzenleuchter zusammen. Während historisches Gerät aller Art aus Zinn noch vielfach in Museen und privaten Sammlungen erhalten geblieben ist, stellen die Formen zur Herstellung heute eine Rarität dar.

Zinngeschirr und –gerät war früher in vielen Haushalten verbreitet. Von armen Leuten abgesehen, fand es sich sowohl beim Adel und Bürgertum als auch bei wohlhabenden Bauern. In Minden-Ravensberg waren in mehreren Städten Zinngießer bereits im 16./17. Jahrhundert ansässig. Ihre Zahl war aber sehr gering, sodass sie keine eigenen Zünfte ausbildeten. Die Absatzmöglichkeiten für hochwertiges Zinn waren in dem kleinen Territorium aber begrenzt. Daher verwendeten die einheimischen Zinngießer für die Alltagsware meistens stark bleihaltiges Zinn, das gesundheitlich nicht unbedenklich, aber billig war. Immerhin gab es spätestens seit 1694 eine staatliche Qualitätskontrolle der Legierung mit einem Stempel, zu dem in der Regel eine Stadtmarke und ein Meisterzeichen hinzutreten. Die Zinngießer hatten mit der Konkurrenz durch Hausierer aus Italien, Tirol und Süddeutschland zu kämpfen, die vielfach billiges, ungestempeltes Zinn in Frankfurt am Main aufkauften, worüber sich Justus Möser in seinen „Patriotischen Phantasien“ (1775ff.) erregt: „Der westfälische Kreis muß sich schämen, wenn er an die Art und Weise denkt, wie er sich von einigen Frankfurter Kaufleuten mit dem Zinn behandeln läßt. Die Wilden in Amerika werden nicht so arg mit Gläsern und Korallen, Spiegeln und Puppenzeug als wir mit dem Zinn um unser gutes Geld betrogen.“ Wohlhabende Haushalte bezogen Waren aus Qualitätszinn dagegen vielfach aus Bremen oder sogar aus England.

Das älteste erhaltene Stück aus einer Bielefelder Zinngießerwerkstatt ist der urwüchsige Willkomm-Pokal der Maurer von 1660, der in der Dauerausstellung des Historischen Museums gezeigt wird. Im 18. und frühen 19. Jahrhundert waren zeitweise mehrere Zinngießer in der Stadt ansässig. Im Laufe des 19. Jahrhunderts drängten Geschirr und Gefäße aus anderen Materialien das Zinn immer mehr zurück. Heinrich Bitter, aus dessen Werkstatt neben den Gussformen für den schönen klassizistischen Kerzenleuchter auch die Schlagstempel ins Museum gelangten, trug dem Rechnung: Er begann schon 1847 parallel mit der Herstellung von Dampf-Kochapparaten. Daraus entstand eine Fabrik für Dampf-, Gas- und Wasseranlagen, die das Zinngießerhandwerk hinter sich zurückgelassen hatte.