Ofenplatte, frühes 17. Jahrhundert
Wer sich die Szene im oberen Teil der Ofenplatte genauer ansieht, wird vielleicht einen leichten Schauer verspüren. Hat die Frau links nicht einen bärtigen Kopf in der Hand und steckt ihn gerade in einen Sack, den ihr die andere Frau aufhält? Hier ist eine der bekanntesten Erzählungen des Alten Testaments dargestellt, die Geschichte von Judith und Holofernes. Während der Belagerung der israelitischen Stadt Bethulia durch die Assyrer begibt sich Judith in das Zelt des feindlichen Feldherrn Holofernes. Sie umgarnt ihn mit ihrer Schönheit, macht ihn betrunken und schlägt ihm dann den Kopf ab.
Noch ganz in mittelalterlicher Tradition enthält die Darstellung nebeneinander zeitversetzt ablaufende Ereignisse, denn in dem hinteren Zelt sind die beiden Protagonisten vorher zu sehen, wie sie zusammen speisen. Ebenso ungewöhnlich für den modernen Betrachter ist die Tatsache, dass der Formschneider der Platte die alttestamentarische Szene in seine Zeit übertragen hat. Die Kleidung der Personen entspricht der Tracht des 16. Jahrhunderts. Ganz unbedenklich wird für die Belagerung der jüdischen Stadt das neuzeitliche Belagerungsgerät aufgeboten: Feldgeschütze hinter Schanzkörben, Kanonenkugeln und Bomben sowie ein Mörser, ein besonders für diesen Zweck geeignetes Steilfluggeschütz.
Das Model, nach dem die Platte gegossen wurde, stammt von dem hessischen Formschneider Philipp Soldan, der zwischen 1529 und 1569 tätig war. Wie allgemein üblich, verwendete er eine grafische Vorlage, in diesem Fall einen Kupferstich von Israhel van Meckenem aus dem späten 15. Jahrhundert. Er war Urheber sehr qualitätvoller Ofenplatten, die noch Jahrzehnte später nachgegossen wurden. Sein Schüler Heinrich Bunsen wandelte die Entwürfe seines Meisters zum Teil nur geringfügig ab, sodass noch im 17. Jahrhundert Abgüsse in dieser Tradition entstanden. Der untere Teil der Platte im Historischen Museum zeigt Kriegergestalten, von denen die beiden rechts außen in ihrer Kleidung mit Halbharnisch und Bewaffnung bereits in diese Zeit gehören.
Aufwändig gestaltete eiserne Kaminplatten und parallel dazu eiserne Kastenöfen tauchen um 1500 erstmals auf. Der Formschneider schnitzte ein Holzmodell, das in Formsand gedrückt wurde. In dieses Negativ ließ der Gießer das flüssige Eisen rinnen. War der Guss gelungen, wurde die Platte noch geputzt. Die vielfigurigen Ofenplatten des 16./17. Jahrhunderts sind im Zusammenspiel von Kunsthandwerk und Hüttentechnik entstanden und nur für einen sehr wohlhabenden Käuferkreis zugänglich gewesen.