Mutterkreuz ·

Es wirkt zunächst wie ein militärischer Orden: ein lateinisches Kreuz mit Tatzenenden, blau-weiß emailliert mit einem silbernen Strahlenkranz um das Zentrum und dem Hakenkreuz darin. Erst die Umschrift „Der deutschen Mutter“ macht klar, dass es sich um das „Ehrenkreuz der Deutschen Mutter“ (Mutterkreuz) handelt. Adolf Hitler hatte die Mutterschaft als das „Schlachtfeld“ der Frau bezeichnet und damit ihren Stellenwert im Rahmen seines Weltbildes markiert.

Nachdem die Nationalsozialisten bereits 1934 den Muttertag zum Feiertag erhoben hatten, wurde am 16. Dezember 1938 das Mutterkreuz gestiftet. Dieses Datum ist auf der Rückseite eingraviert. Der Orden sollte den Kinderwunsch beflügeln, da in der NS-Ideologie eine wachsende „Volksgemeinschaft“ das wichtigste Zukunftskapital Deutschlands darstellte. Auch formal ahmte er militärische Auszeichnungen nach. Die drei verliehenen Stufen waren nach Anzahl der Kinder gegliedert. Ab vier Kindern erhielten die Mütter das bronzene, ab sechs Kindern das silberne und ab acht Kindern das goldene Mutterkreuz. Es gab jedoch keinen Automatismus, vielmehr mussten Kandidatinnen von NS-Organisationen, kommunalen Behörden oder auch Privatleuten vorgeschlagen werden. Daraufhin wurden der Lebenswandel der Frau, ihre Haushaltsführung und Kindererziehung begutachtet, ebenso die politische Einstellung. Dafür waren vor allem Gesundheitsämter, Ärzte und Fürsorgerinnen zuständig, aber ebenso untere Parteidienststellen. Selbstredend kamen nur „arische“ und „erbgesunde“ Frauen für das Mutterkreuz in Betracht.

„Es war für alle Anwesenden, der Theatersaal war voll besetzt, eine erhebende Feierstunde (…). Stolz und erhobenen Hauptes gingen die Mütter, mit den Ehrenkreuzen geschmückt und jede mit einem riesigen Blumenstrauß versehen, aus dem Saal und wurden im dicht besetzten Kurpark immer wieder jubelnd begrüßt.“ Die Schilderung von der Mutterkreuzverleihung im Mai 1940 in Bad Salzuflen lässt erahnen, wie das NS-Regime den Mutterkult zu inszenieren wusste. Das Mutterkreuz sollte nur zu festlichen Anlässen am mitgelieferten Band getragen werden. HJ- und BDM-Mitglieder sollten die Trägerin auf der Straße grüßen wie Inhaber militärischer Auszeichnungen.

Bis September 1941 hatten 4,7 Millionen Frauen das Mutterkreuz erhalten. Frauen mit vielen Kindern, die es nicht vorweisen konnten, gerieten in Gefahr, als asozial oder auf irgendeine Weise nicht regimekonform zu erscheinen. In den Kriegsjahren kam es, wie die Historikerin Irmgard Weyrather herausgefunden hat, häufiger zu Streitigkeiten, wenn Trägerinnen des Mutterkreuzes beim Schlangestehen und bei der Lebensmittelversorgung eine bevorzugte Behandlung erwarteten. Obwohl die Mehrheit das Kreuz durchaus als Würdigung empfand, machte auch das Wort vom „Kaninchenorden“ die Runde. Nach dem Ende der NS-Herrschaft verschwanden viele Mutterkreuze in der Schublade und blieben bis heute erstaunlich oft erhalten.