Tjanting •

Was mag das für ein Ding sein? Ein Stück Holz, auf dem „S. Alsberg & Co. Bielefeld“ steht, darin ein Metallstift, an dem ein offenes Behältnis aus Buntmetall steckt, das in einem rüsselförmig gebogenen Röhrchen endet, alles zusammen etwa 20 cm lang? So rätselhaft wie sein Aussehen klingt der Name – Tjanting. Er weist in die weite Ferne, nach Südostasien.

Der Tjanting ist das traditionelle Werkzeug bei der Herstellung einer Batik. Diese Textiltechnik hat ihren Ursprung in Indonesien. In das kleine Gefäß wird heißes flüssiges Wachs gegossen, das aus dem Röhrchen als dünner Faden oder in Tropfen austritt. Mit dem Stiel in der Hand lässt sich auf diese Weise auf Stoff zeichnen. Das Wachs deckt das Gewebe ab, das anschließend gefärbt wird, aber unter dem Wachs seine ursprüngliche Farbe behält. Diese aufwändige Technik hat in Indonesien eine lange Tradition, wobei einzelne Muster und Farbzusammenstellungen religiösen Anlässen oder bestimmten Gesellschaftsschichten vorbehalten waren. Heute steht die indonesische Batik auf der Liste des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO.

Nach Europa kam die Batik über das niederländische Kolonialreich in Südostasien. Ende des 19. Jahrhunderts bestand bei Künstlern und Kunsthandwerkern großes Interesse an den Schöpfungen außereuropäischer Kulturen, deren Anregungen sie begierig aufnahmen. In Den Haag 1901 und in Rotterdam 1902 fanden wichtige Ausstellungen statt, die sich der Textilkunst aus „Niederländisch-Indien“, wie Indonesien damals bezeichnet wurde, widmeten. Niederländische Künstler erlernten die Batiktechnik und führten sie in den Unterricht an kunstgewerblichen Lehranstalten ein. J. A. Loebèr jun., der ein Buch über Batiken veröffentlichte, und Jan Thorn-Prikker lehrten seit 1904 an den Kunstgewerbeschulen in Elberfeld bzw. Krefeld und verbreiteten so die Kenntnis der Technik. Eine entscheidende Rolle spielte die „Niederländisch-Indische Kunstausstellung“ 1906 im Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld, durch die Batik auch in Deutschland ein Begriff wurde.

Als ein Jahr später die „Staatlich-städtische Handwerkerschule mit kunstgewerblichen Tagesklassen“ in Bielefeld gegründet wurde, übertrug man die Leitung der wichtigen Textilklasse der Dresdner Künstlerin Gertrud Kleinhempel. Wo und wie sie mit der Technik des Batikens bekannt wurde, lässt sich nicht feststellen, aber als der Neubau der Schule 1913 bezogen werden konnte, war dort im Obergeschoss eine Batikküche eingeplant. In einer Fachzeitschrift waren 1916 einige Batiken abgebildet, die in der Textilklasse entstanden waren, und erhielten Lob für ihre Qualität.

Der Tjanting in der Museumssammlung gehörte einer Schülerin von Gertrud Kleinhempel, die von 1919 bis 1923 die Textilklasse besuchte. Ob das Werkzeug von vornherein eine Eigenanfertigung war oder erst später der Tragegriff des Bielefelder Kaufhauses Alsberg eine ursprünglich vorhandene  Handhabe ersetzte, ist nicht bekannt. In jedem Fall erhält das exotische Gerät dadurch seine spezifische Bielefelder Note.