Erinnerungstuch Boxeraufstand •

Klein und am Boden liegt das chinesische Banner mit dem Drachen, immerhin dekorativ gerahmt von einigen Chrysanthemenblüten, der kaiserlichen Blume. Seitlich aber erheben sich die Flaggen von Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Österreich-Ungarn, Russland und den USA. Ganz oben, von Siegeslorbeer umgeben, steht die Fahne des deutschen Reiches mit der Kaiserkrone. Das seidene Tuch erinnert an einen internationalen Konflikt, mit dem 1900 China erstmals ins Blickfeld der deutschen Öffentlichkeit geriet. Hergestellt wurde es für Feldzugsteilnehmer, die in dem freien Feld in der Mitte ihr persönliches Konterfei anbringen lassen konnten.

Das Kaiserreich China hatte sich wie Japan lange Zeit gegen Kontakte mit dem Westen abgeschottet. In den beiden sogenannten „Opiumkriegen“ 1839-1842 und 1856-1860 erzwangen die Briten eine Öffnung des Reiches für den Handel und sicherten sich Stützpunkte an der Küste, darunter die Insel Hongkong. Die Auseinandersetzung hatte die militärische Überlegenheit der Europäer deutlich gemacht. Das Selbstverständnis der Chinesen, die alle Fremden als Barbaren ansahen, erhielt einen Dämpfer, zumal sie auch in einem Krieg gegen das erstarkende Japan den Kürzeren zogen. Die westlichen Mächte sahen in China einen riesigen Markt für ihre Waren und um absehbare Konflikte um Einflusssphären zu vermeiden, propagierte man eine Politik der „offenen Tür“, also eine Art Freihandel in eine Richtung.

Deutschland hatte bereits 1861 einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit China abgeschlossen. Als 1897 zwei deutsche Missionare in der Provinz Shandong ermordet wurden, schickte Berlin Kriegsschiffe und besetzte die Festung Tsingtau. Wenig später trat China formell die Bucht von Kiautschou als Pachtgebiet für 99 Jahre an das Deutsche Reich ab. Damit hatte Deutschland auch einen Fuß in der „offenen Tür“. In China breitete sich jedoch eine Bewegung aus, die den Einfluss der westlichen Mächte und ihre technischen Neuerungen bekämpfte. Ihre Anhänger nannten sich Yìhéquán, „Faust für Recht und Einigkeit“ und wurden im Westen als „Boxer“ bekannt. Mit einem Staatsstreich ergriff Tz´u-hsi, die Stiefmutter des jungen Kaisers Kuang-hsü und frühere Regentin, wieder die Macht und trat mit den Regierungstruppen auf die Seite der Boxer. Sie massakrierten chinesische Christen, griffen Europäer an und zerstörten Bahnlinien und Telegrafenleitungen. Die Europäer flüchteten in das Gesandtschaftsviertel in Peking, das von den Boxern umzingelt wurde, wobei der deutsche Gesandte von Ketteler am 20. Juni 1900 einem Mordanschlag zum Opfer fiel.

Kaiser Wilhelm II. ließ sofort eine Eingreiftruppe mobilisieren, die am 27. Juli in See stach. Auf diplomatischem Weg hatte er durchgesetzt, dass Feldmarschall Graf von Waldersee zum Oberbefehlshaber des multinationalen Expeditionskorps ernannt wurde. Vor der Abfahrt hielt er die berüchtigte „Hunnenrede“, in der er die deutschen Soldaten, die erbarmungslos vorgehen sollten, mit den Hunnen Attilas verglich. Tatsächlich kamen die deutschen Truppen aber zu spät. Vor allem japanische, englisch-indische, amerikanische und französische Verbände waren näher am Kriegsschauplatz, hatten Peking beschossen, die Aufständischen versprengt und die Europäer befreit. Waldersee blieb nur der triumphale Einmarsch in die Stadt, wo er im Winterpalast sein Hauptquartier einrichtete.

Das chinesische Kaiserhaus musste beim Friedenschluss erhebliche Zugeständnisse machen, sodass der Boxeraufstand der alten Ordnung, die er konservieren wollte, letztlich den Todesstoß versetzte. In Deutschland gab es noch ein Nachspiel: Wilhelm II. hatte auf einer persönlichen Entschuldigung des chinesischen Kaisers bestanden. Am 4. September 1901 traf Prinz Ch´un, sein Bruder, in Potsdam ein. Der „Sühneprinz“, wie er von der deutschen Presse apostrophiert wurde, hatte ein bedauerndes Schreiben Kuang-hsüs dabei, das er mit einer Verneigung überreichte. Mit dieser Demütigung endete der Konflikt.