Patenbrief von 1816
Wer das traditionelle Faltspiel „Himmel und Hölle“ noch kennt, hat eine ungefähre Vorstellung, wie dieser Patenbrief in aufgeklapptem Zustand aussieht. Rundherum mit christlichen Bildern in Kupferstichtechnik bedruckt, die von Hand koloriert wurden, entsteht beim Auseinanderfalten zugleich eine Art bunte Bibel im Kleinstformat. Neben guten Wünschen und Ratschlägen für den gottgefälligen Lebensweg brachte der Patenbrief aber auch zählbare Gaben mit sich.
Die Paten nahmen früher eine weit verantwortungsvollere Stellung im Familienleben ein als heute. Nur zu oft verstarben der Vater oder gar beide Eltern, während die Kinder noch heranwuchsen. Dann waren die Paten in der Pflicht, sich um deren Wohlergehen zu kümmern. Die Übernahme der Patenschaft stärkte verwandtschaftliche Beziehungen oder soziale Netzwerke unter Gleichgestellten. Ein höherrangiger Pate konnte für seinen Schützling den Türöffner in entsprechende Gesellschaftsschichten darstellen. Die Anfänge der gedruckten Patenbriefe liegen im 17. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Form des Faltbriefes, vor allem von sächsischen Verlegern auf den Markt gebracht. Unser Exemplar stammt aus dem Leipziger Verlag Schreibers Erben und zeigt im geschlossenen Zustand ganz klassisch eine zeitgenössische Taufzeremonie. Neben den Eltern und dem Geistlichen steht der Pate am Taufstein, während der geöffnete Himmel die Dreifaltigkeit vorstellt. Innen sind verschiedene Sprüche zu lesen, darunter der Hauptvers:
„Vertraue Gott, er ist Dein Vater!
Und ehre Jesum, der Dich lehrt!
Der Tugend Geist sey Dein Berather
zum Glück, das keine Zeit zerstört.“
Wichtiger noch als diese frommen Wünsche war vielleicht der Patentaler, ein Geldgeschenk, das in diesem Papier verpackt und als Startkapital für den Täufling auf seinem Lebensweg gedacht war. Im 19. Jahrhundert wurden die Patenbriefe immer luxuriöser und nahmen die Form von Täschchen an, die mit Prägungen, Vergoldung und Papierspitzen verziert waren und dem wertvollen Geldstück ein angemessenes Futteral boten. Zur Konfirmation, die früher häufig zugleich Schulentlassung und Berufsanfang markierte, folgte eine weitere finanzielle Gabe oder ein wertvoller Gegenstand wie die Taschenuhr als klassisches Patengeschenk, bevor das Patenkind in die Selbständigkeit entlassen wurde.