Bierkrug ·
„Beer stein“ – unter diesem Begriff sind Bierkrüge aus Steinzeug, die als typisch deutsch gelten, vor allem in Amerika sehr beliebt. Auch wenn die Preise aktuell nicht mehr so hoch liegen, greifen Sammler für ausgefallene historische Krüge immer noch tief in die Tasche. Das abgebildete Modell entspricht eigentlich nicht der landläufigen Vorstellung von einem Bierkrug. Die Gestaltung weist eindeutig auf den Jugendstil und das Motiv hat mit Bierseligkeit erst einmal nichts zu tun.
Über einem Sockel mit Steinlagen, der an eine Stadtmauer denken lässt, zeigt sich auf der Wandung eine herbstliche Landschaft. Ein Wanderer mit Stock, von dem nur der Oberkörper sichtbar ist, blickt in das Bild hinein. „Am Brunnen vor dem Thore, da steht ein Lindenbaum“ zitiert die Schriftzeile unterhalb den Anfang des berühmten Gedichts aus Wilhelm Müllers Zyklus „Winterreise“, den Franz Schubert 1827 kongenial vertont hat. Das Gedicht wurde in der Folge zu einem der bekanntesten Volkslieder. Der Griff des Wanderers zum Hut spielt auf die Zeile „Der Hut flog mir vom Kopfe“ an. Mit sparsamen Strichen und reduzierter Farbgebung ist die bildliche Übertragung des Textes auf die Oberfläche des Krugs gelungen.
Auf dem Boden des Gefäßes findet sich eine berühmte Marke: das Abteigebäude mit dem Namen „Mettlach“, Ursprung der Firma Villeroy & Boch. François Boch hatte 1801 die ehemalige Benediktinerabtei an der Saar erworben. Sein Sohn schloss sich 1836 mit Nicolas Villeroy zusammen und begründete das bis heute bestehende Unternehmen für feine Keramik. Zu seinem Ruhm trugen vor allem die Steinzeuggefäße nach dem Chromolithverfahren bei, die erstmals auf den Weltausstellungen der 1870er Jahre präsentiert wurden. Dabei wurde der Dekor mit Hilfe von Formen auf den Gefäßkörper gepresst, wobei die Umrisse der Zeichnung sich als vertiefte Linien einprägten. Diese wurden nach dem Brennen durch das Einreiben einer schwarzen Glasur hervorgehoben, so dass die verschiedenen Farben und Umrisse sich scharf voneinander abheben.
Bekannte Künstler wie Ludwig Hohlwein, Otto Hupp oder Heinrich Schlitt fertigten Entwürfe für die fantasievollen Dekore an. Bei unserem Krug ist der Entwerfer leider nicht bekannt. Es gibt jedoch einen besonderen Bezug zu Bielefeld. Der Deckel mit einem stilisierten Blatt ist in eine Zinnumrandung montiert. Dort findet sich eine gravierte Widmung mit einer langen Reihe von Monogrammen, die mit „Firma Dr. A. Oetker a. 21.10.05“ endet. Wer aus diesem schönen Krug in der Folgezeit sein Bier genossen hat, geht daraus leider nicht hervor.