Quartettspiel •

Wer als Kind in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufwuchs, kennt das Quartettspiel in den unterschiedlichsten Formen. Legendär waren Autoquartette, bei denen vor allem Jungen mit den technischen Angaben auf den Karten ihre Mitspieler zu übertrumpfen versuchten. Die Spielregeln des Quartetts sind jedoch eigentlich andere und oft steht neben dem Spiel als Nebenzweck die Vermittlung von mehr oder weniger sinnvollem Wissen.

Das Quartett „Serengeti darf nicht sterben“ verbindet sich mit einer Ikone der bundesdeutschen Fernseh- und Mediengeschichte. Der Zoologe und Direktor des Zoos Frankfurt/Main, Dr. Bernhard Grzimek (1909-1987), erhielt mit der Sendung „Ein Platz für Tiere“ ein Forum, um für Natur- und Tierschutz zu werben. Von der ersten Ausstrahlung 1956 bis zur letzten Folge vor seinem Tod verbreitete er mit sonorer Stimme Kenntnisse über die Tierwelt und wurde dabei publikumswirksam jeweils von einem tierischen Studiogast aus dem Zoo unterstützt, der sich neben, um oder auf ihm tummelte.

Anfang der 1950er Jahre hatte Grzimek mit seinem Sohn Michael Afrika bereist und die Gefahren wahrgenommen, die den wilden Tieren durch Jagd und vorrückende menschliche Besiedlung drohten. Die Regierung Tansanias plante damals, die Steppenlandschaft des Serengeti-Nationalparks zwischen den Tierherden und den Massai mit ihren Rindern aufzuteilen. Vater und Sohn Grzimek boten an, aus der Luft die Wanderbewegungen der Wildtiere zu erkunden, damit die Teilung darauf Rücksicht nehmen konnte. Beide lernten für diese Aufgabe fliegen und rüsteten ein Spezialflugzeug mit dem Kennzeichen D-ENTE aus. Es war wie ein Zebra angestrichen und konnte extrem niedrig und mit einer bis auf 40 km/h gedrosselten Geschwindigkeit fliegen. Bei dieser Kampagne entstand umfangreiches Filmmaterial, Michael Grzimek starb jedoch bei den Dreharbeiten 1959 durch einen Flugzeugabsturz. Der Film „Serengeti darf nicht sterben“ kam 1960 in die Kinos und erhielt einen Oscar als bester Dokumentarfilm. Das gleichnamige Buch, das Michael Grzimek wesentlich verfasst hatte, vollendete sein Vater. Es erschien zeitgleich auf dem Markt und wurde ein Bestseller.

Kein Wunder also, dass die Bielefelder Spielkarten GmbH den populären Stoff aufgriff und zu einem Quartett verarbeitete. Die 36 Karten widmen sich hauptsächlich der Tierwelt der Serengeti, stellen aber auch die Dreharbeiten und den Tierfang dar. Die Rückseiten sind jeweils mit einer Zeichnung bedruckt, die Michael Grzimek neben einer Gazelle zeigt. Andere Quartettspiele des Herstellers aus den 1960er Jahren lauteten „Vorsicht im Straßenverkehr“, „Wir tauchen mit Hans Hass“ oder „Rund um die Welt“. Die Bielefelder Spielkarten GmbH war ein 1950 gegründetes Tochterunternehmen der Firma Gundlach. Unter dem Markennamen „Joker“ eroberten die Bielefelder Spielkarten rasch mit 20 Prozent Marktanteil den dritten Platz unter den deutschen Herstellern. „Griffig, klanghart, gut gleitend“ – mit solchen Eigenschaften wurde bei deutschen Kartenspielern für das Produkt aus Bielefeld geworben. Neben klassischen Kartenspielen gehörten Quartette und Quizspiele zum Angebot, aber ebenso das (nach damaligen Begriffen) nicht jugendfreie „Darling-Spiel“ mit leicht bekleideten Pin up-Girls. Der Chef der Firma Gundlach, Richard Kaselowsky, war auch an der Kulturgeschichte der Spielkarten interessiert und erwarb eine international bedeutsame Sammlung, die seit 1955 auf der Sparrenburg als Museum öffentlich zugänglich war. Nur zwei Jahrzehnte blieb Bielefeld eine Hochburg dieser speziellen Drucksachen, dann wurden die Bielefelder Spielkarten GmbH und die Museumssammlung 1972 an einen schwäbischen Konkurrenten verkauft.